Launische Betrachtung über das Loch (spontan verfasst)
Die Erwähnung von rätselhaften Erdlöchern regten mich an Überlegungen über das Loch anzustellen.
Woher stammt eigentlich der Ausdruck Loch? Soweit ich mich schlaumachen konnte, entstand das Wort aus dem germanischen Zeitwort lük-a, was so viel wie verschließen heißt. Im Germanischen wurde daraus luka-n was so viel wie Verschluss bedeutet. Im Althochdeutschen hieß es Loh und im mittelhochdeutsch wurde daraus Loch.
Wenn ich die Herkunft des Wortes betrachte, finde ich es seltsam, dass „Loch“ etwas verschließen soll. Es hat doch keinen Verschluss. Man sieht es doch nicht und kann es auch nicht berühren. Es ist demnach ein Nichts!
Da stellt sich sofort die nächste Frage. Woran erkennt man ein Loch? Nun, dieses unsichtbare unantastbare Nichts ist immer von irgendetwas umrandet, sei es Stoff, Papier, Metall, Holz, Erde oder Gestein und anderes mehr. Diesen Rand sieht man und wenn darin nichts zu sehen ist, muss es ein eingefasstes Loch sein. Es kann verschiedene Formen haben, die sich nach der Umrandung orientieren. Die Umrandung kann rund, eckig, längs- oder quergestreckt, ausgefranst, sowie es heutzutage bei Jeans modern aber nicht unbedingt ästhetisch ist, eingefasst oder umstickt und anders mehr sein.
Die meisten Löcher sind durchsichtig. Manche allerdings haben auf der hinteren Seite eine Wand der sie umrandenden Materie, zum Beispiel Erdlöcher oder Wasserlöcher, die zwar von Erde umrandet aber mit Wasser gefüllt sind. Durch diese kann man natürlich nicht durchsehen.
Es gibt notwendige, brauchbare, unbrauchbare und nicht zuletzt manchmal unangenehme Löcher, zum Beispiel in einer geplatzten Hose.
Ein unbrauchbares Loch hat sogar mit einem Lied Berühmtheit erlangt. Ich wette, es ist fast allen bekannt.
Heinrich soll Wasser holen jedoch: „Ein Loch ist im Eimer, liebe Liese, ein Loch“, beklagt er sich. Liese gibt ihm den Rat es zuzustopfen. Der unbeholfene Heinrich fragt womit. Liese sagt mit Stroh, aber Heinrich hat keine Ahnung, woher er das Stroh nehmen soll. Und so geht es weiter, bis am Ende der Eimer löchrig bleibt und das Lied wieder beim Anfang beginnt mit:
„Hol Wasser lieber Heinrich, lieber Heinrich hol Wasser. „Ein Loch ist im Eimer. Liebe Liese, liebe Liese ein Loch“, ohne eine Lösung für den löchrigen Eimer gefunden zu haben.
In meiner Kindheit kam in regelmäßigen Abständen ein Kesselflicker in die Höfe der Wohnhäuser. Mit dem Ruf: „Der Kesselflicker is do!“, brachte er alle auf die Beine, die Töpfe, Pfannen. Reindln oder Schüsseln und anderes löchriges Emaille Geschirr hatten. Der Kesselflicker verschloss die Löcher fachgerecht, sodass alles wieder gebrauchsfähig war.
Heutzutage, abgesehen davon, dass es kaum noch Emaille Kochgeschirr gibt, wirft man alles Löchrige einfach zum Müll.
Damals wurden auch Löcher in den Socken noch gestopft mit Stopfgarn, Stopfnadel und Stopfholz. Kleidung brachte man zur Kunststopferin, die es fertig brachte, Löcher so zu behandeln, dass sie fast oder ganz unsichtbar wurden. Kunststopferinnen waren wahre Meisterinnen ihres Faches. Das kam immer noch billiger, als etwas Neues zu kaufen. Das Geld war rar. Dieser Beruf wird ja heute nicht mehr benötigt. Was ein Loch hat, wenn es auch nur ein kleines ist, wird weggeworfen. Man hat es ja, und die Umwelt muss es eben ertragen. Das Wegwerfen ist ja viel einfacher und bietet außerdem die Möglichkeit, sich neu nach dem herrschenden Modetrend einzukleiden. Löcher in Kleidungsstücken oder Hosen waren früher ein Armutszeugnis. Heute bezahlt man extra für löchrige Jeans. Weil man es sich leisten kann. Fehlt der höhere Betrag für die Löcher, schneidet oder reißt man selbst Löcher. Dabei ist es aber nicht so sicher, ob die Stelle, an der man schneidet, auch genau der Modelinie entspricht.
Ein sehr unangenehmes, oft schmerzhaftes Loch erwähne ich noch, bevor ich mich den notwendigen, gewollten Löchern zuwende. Das Loch im Zahn. Hat man vielleicht den Zahnarztbesuch wieder einmal zu lange hinausgeschoben? Auf jeden Fall muss das schmerzhafte Loch zugestopft, in manchen Fällen auch der Zahn gezogen werden. Zum Glück hat man aber noch einige brauchbare Beißer im Kiefer, oder?
Ein auf jeden Fall nötiges und erwünschtes Loch ist das Schlüsselloch, allerdings sollte dazu auch der passende Schlüssel vorhanden sein. Ein Schlüssel ohne Loch und ein Loch ohne Schlüssel sind beide wertlos. Früher hatten Schlüssellöcher noch die Funktion der Erforschung der Begebenheiten im Nebenzimmer. Ich erinnere mich, vor allem am Weihnachtsabend immer durch das Schlüsselloch geschaut zu haben, um vielleicht einen Blick auf das Christkind oder auf den Weihnachtsmann zu erhaschen, was mir natürlich nie gelungen war. Heute braucht man dazu keine Schlüssellöcher mehr. Einer Kamera entgeht nichts.
Ein Loch in der Eingangstüre, genannt Spion, ist insofern sehr nützlich, damit man rechtzeitig feststellen kann, wer vor der Türe ist und ob es sich lohnt, diese zu öffnen.
Lebenswichtig in früheren Zeiten waren Erdlöcher, denen man vielerlei Nützlichkeit zuspricht. Bei Krieg oder Verfolgung boten sie Schutz oder Versteck. Sie eigneten sich wegen der gleichbleibenden Temperatur zur Einlagerung von Lebensmitteln. Manchmal waren sie auch durch unterirdische Gänge verbunden und boten so Fluchtwege.
Astlöcher sind bei der Möbelerzeugung nicht besonders gefragt, außer man erzielt damit besondere Effekte. Bei Zäunen, besonders wenn sie hoch sind, ist ein in Augenhöhe befindliches Astloch durchaus wünschenswert für die Beobachtung des Nachbarn.
Mit Löchern aus Papier geschnitten können wahre Kunstwerke (Scherenschnitte) entstehen.
Löcher umstickt mit Nadel und Stickgarn waren weitverbreitet zur Verzierung und Anfertigung der Aussteuer. Alte Gemälde zeigen oft stickende Frauen aller Gesellschaftsschichten mit Stickrahmen an der Arbeit. Vor allem die feinen Burgfräulein und Prinzessinnen werden sehr oft so dargestellt. Wahrscheinlich vertrieben sie sich ihre Langeweile damit. Was hätten sie auch sonst machen sollen außer sticken? Löcher in die Luft schauen? Es muss ja wirklich öd gewesen sein, ohne Radio, CD-Player, Fernseher, Handy, Computerspiele und sonstigem digitalen Firlefanz. Heutzutage übernehmen das Sticken die Nähmaschinen, geht schneller und ist bequemer. Jedenfalls ist der Beruf der Weißnäherin ausgestorben, die solche Handarbeit gemacht hat.
Der Ausdruck Loch wird auch für wenig nette Bemerkungen verwendet. Dann ist es aber ein Loch, das nur in der Vorstellung besteht. Außer Löcher in die Luft schauen, kann man auch jemanden mit Fragen löchern, oder es als leider immer öfter vorkommende Beschimpfung anwenden, nämlich A….loch. Auch ein Loch in der Birne ist möglich, womit bei Birne der Kopf gemeint ist, in dem nichts drinnen ist. Meist verwendet man diesen Spruch, wenn jemand sich verrückt verhält, Dummheiten behauptet oder womöglich wirklich dumm ist.
Ich könnte diese Lochbetrachtungen noch lange weiterführen, aber ich denke, ich habe die Leser schon genug gelöchert mit meinen Loch-Gedanken. Deshalb mache ich Schluss, bevor noch die Vermutung aufkommen könnte, ich hätte in meiner Birne ein Loch.
Autorin: Gertrude Erbler